Marienplatz de Compostela (German Edition) by Soedher J.M

Marienplatz de Compostela (German Edition) by Soedher J.M

Autor:Soedher, J.M. [Soedher, J.M.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Edition Hochfeld
veröffentlicht: 2013-09-13T22:00:00+00:00


Verlassen

Es war ihr Zuhause geworden – der lange Tunnel, die Schächte, das Dunkel und Düstere des Labyrinths. Sie kannte nun den größten Teil der Fallen. In jeder Situation wusste sie einen Weg, um zu entkommen, und sie bewegte sich mit großer Routine durch die Segmente und Stockwerke, bis hinauf auf die freiliegende Decke, knapp unter dem Dach, wo es einen Hauch von Freiheit zu spüren gab.

Sie beruhigte ihren Atem, denn gerade war sie durch den zentralen Tunnel gespurtet, von Deckung zu Deckung; geduckt, immer schussbereit, die Armbrust nach vorne gehalten. Im Vorbeilaufen hatte sie ihn in einer geöffneten Luke gesehen. Er hatte noch nicht mit ihr gerechnet, sie erschrocken, ja entsetzt angesehen und panisch die Luke zugeschlagen, als sich ihr Blick kreuzte, worin er ihren Willen zu töten erkannte. Für ihn war es gerade noch gut gegangen. Eine Sekunde langsamer und sie hätte ihm den Bolzen ins Gehirn geschossen. In ihren Gedanken hatte sie es vor sich gesehen, das Geräusch gehört, wie der Bolzen den Schädel durchschlug, und ihn wegsinken sehen. Glück gehabt.

In seinen Augen flackerte die gleiche Angst wie schon gestern, als er sie im Tunnel auflauern wollte und sie ihn dabei fast mit der Armbrust erwischt hatte. Sie war eine rechte Scharfschützin geworden; ihr Bolzen hatte ihn gestriffen und sofort hatte sie nachgeladen und war losgerannt. Gerade noch war er durch eine der Seitenluken entkommen und sie hatte aus kurzer Distanz auf das Lochblech gefeuert, das über dem Holz lag. Ein trockenes Knallen und Knirschen war zu hören gewesen, als das Stahlprojektil das Blech durchschlug und stecken blieb. Es war knapp für ihn gewesen und sie hatte lange dagestanden und seine Angst durch die Wand riechen können. Die reelle Möglichkeit ihn töten zu können, diese erlebte Chance, dies ließ sie weniger Angst empfinden und viel mehr Mut. Es veränderte die Situation.

Heute war sie sich sicher, nicht alleine mit ihm zu sein. Im Vorraum zum Pendel hatte sie etwas gehört: Schritte. Es waren Schritte. Ganz leise. Die Geräusche kamen von oben. Jemand anders als er hatte auf der oberen Ebene die Holzdecke gequert; kurze, schnelle Schritte. Eine leichte, kleine Person musste es gewesen sein, die versucht hatte möglichst wenig Geräusch zu verursachen. Sie musste sich also vorsehen.

Seit gestern war auch das Schutzblech vom Pendel entfernt und die blanke Schneide sauste durch die Luft. Und fürchterlicher noch – das Ding pendelte nun in unterschiedlichen Höhen. Der bisherige Modus vorbeizukommen, war damit obsolet geworden. Doch es ängstigte sie nicht. Vielmehr richtete sie alle ihre Sinne nach möglichen neuen Gefahren aus. Die Schritte von oben waren ein Warnsignal. Ein neuer Level stand an. Sie war bereit dafür und fast fühlte sie ein wenig Freude darüber einer neuen Herausforderung gegenüberzustehen, und sie war gierig darauf geworden ihn zu erwischen, mit einem Speer, mit einem Bolzen, oder mit ihren blanken Händen. Was war bloß aus ihr geworden? Auf den Weg hatte sie sich begeben, nach Santiago de Compostela. Nicht um vor etwas wegzulaufen, vielmehr um ein Ziel zu erreichen, das nicht nur aus einem Ort bestand.



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